Änderungen des Waffenrechts im Jahr 2009 Quelle: Bundesministerium des Innern (BMI)
Hintergrund:
Am 11. März 2009 tötete ein 17-jähriger in einer
Schule im baden-württembergischen Winnenden mit einer großkalibrigen
Pistole fünfzehn Menschen und sich selbst. Nach den polizeilichen
Ermittlungen gehörte die Schusswaffe dem Vater des Täters, der diese als
Sportschütze legal besaß, jedoch nicht in dem vorgeschriebenen
Waffenschrank aufbewahrte, so dass der Täter unberechtigt auf die Waffe
zugreifen konnte.
Diese Tat wäre nicht möglich gewesen, wenn Waffe
und Munition gemäß den strengen waffenrechtlichen
Aufbewahrungsvorschriften getrennt voneinander eingeschlossen gewesen
wären.
Beratungen einer eigens eingerichteten
Bund-Länder-Arbeitsgruppe und Erörterungen in Betracht kommender
Konsequenzen im Bundestag und Bundesrat führten zu dem Ergebnis, dass –
unabhängig von den nicht auszublendenden gesellschaftlichen Faktoren des
Phänomens Amoklauf – im Waffenrecht insbesondere weitreichende
Möglichkeiten zur Verhinderung des unbefugten Zugriffs auf Schusswaffen
ausgeschöpft und der Zugang von Minderjährigen zu deliktsrelevanten
Schusswaffen noch stärker erschwert werden sollten.
Zu den Änderungen im Einzelnen:
Verschärfung der Prüfung des
Bedürfnisses
Mit der Änderung des § 4 Absatz 4
WaffG wird – über die einmalige verpflichtende Überprüfung nach drei
Jahren hinaus – der Behörde das Ermessen eingeräumt, das Fortbestehen
des Bedürfnisses auch fortlaufend prüfen zu können. Bislang werden
lediglich Zuverlässigkeit und persönliche Eignung mindestens alle drei
Jahre geprüft. Dieser Wertungswiderspruch wird durch die Änderung
aufgelöst.
Die Vorschrift des § 8 Absatz 2 WaffG
wurde gestrichen. Sie hebt die organisierten Sportschützen und die
Inhaber gültiger Jagdscheine als Regelbeispiele eines besonders
anzuerkennenden persönlichen Interesses im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1
hervor. Allerdings kann hieraus nicht generell ein Bedürfnis dieser
Personengruppe zum Erwerb abgeleitet werden, da § 13 WaffG für Jäger und
§ 14 WaffG für Sportschützen als Spezialregelungen vorgehen. Nach dem
Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ laufen die in Absatz 2
genannten Bedürfniskonkretisierungen deshalb praktisch ins Leere.
Um die Anzahl der Waffen von
Sportschützen ohne Änderung des Grundkontingents stärker vom Bedürfnis
abhängig zu machen, werden die Anforderungen an die Befürwortung eines
waffenrechtlichen Bedürfnisses erweitert. So wird § 14 Absatz 3 WaffG um
eine Formulierung ergänzt, die eine Überschreitung des Grundkontingents
nur zulässt, wenn der Schütze seine regelmäßige Wettkampfteilnahme
nachweist. Dies gilt zumindest auf der untersten Bezirksebene, die auch
für einfache Sportschützen zugänglich ist, um sich mit anderen zu
messen. Nach geltender Rechtslage muss der Sportschütze sein
waffenrechtliches Bedürfnis für den Erwerb und Besitz der
erlaubnispflichtigen Schusswaffe glaubhaft machen, § 8 Absatz 1 WaffG.
Die näheren Einzelheiten regelt die Vorschrift über Sportschützen in §
14 WaffG. Nach § 14 Absatz 2 WaffG muss sich der Sportschütze vor Erwerb
der ersten Waffe von seinem Schießsportverband – nicht vom eigenen
Verein – bescheinigen lassen, dass er mindestens 12 Monate im Verein mit
scharfen Waffen trainiert hat und er die Waffe für eine bestimmte
anerkannte Schießsportdisziplin braucht. § 14 Absatz 3 Satz 1 WaffG
billigt Sportschützen als Grundkontingent zur Ausübung des Schießsports
drei halbautomatische Langwaffen und zwei mehrschüssige Kurzwaffen zu.
Will der Schütze dieses Kontingent überschreiten, muss er dies gegenüber
seinem Verband begründen und das gesteigerte schießsportliche Bedürfnis
darlegen.
Anheben der Altersgrenze für das
Schießen mit großkalibrigen Waffen
Durch die Änderung des § 27 Absatz 3
Satz 1 Nummer 2 WaffG soll nunmehr Jugendlichen, die das 18. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, das Schießen mit so genannten großkalibrigen
Waffen nicht mehr möglich sein. Damit soll erreicht werden, dass dieser
Altersgruppe der Umgang mit diesen deliktsrelevanten Waffen verwehrt
bleibt. Das Schießen für Minderjährige bleibt grundsätzlich auf
Kleinkaliberwaffen beschränkt. Die Ausnahme für Flinten – und hier nur
Einzellader-Flinten – trägt der Besonderheit der Disziplinen des
Schießens auf Wurfscheiben (Trap/Skeet) Rechnung.
Stärkere Kontrollen der Aufbewahrung
von Schusswaffen und Munition
Ein besonderes Augenmerk lag in einer
klaren Regelung, die auch verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglicht.
Nach geltender Rechtslage kann die
Behörde erst bei begründeten Zweifeln, also zusätzlichen Anhaltspunkten,
vom Besitzer verlangen, dass dieser ihr zur Überprüfung der sicheren
Aufbewahrung Zutritt zum Ort der Aufbewahrung gewährt;
verdachtsunabhängige Kontrollen waren bisher nicht möglich.
Durch die Änderung des § 36 Absatz 3
Satz 1 WaffG wird klargestellt, dass die Maßnahmen zur sicheren
Aufbewahrung auch bereits bei Antragstellung für eine Besitzerlaubnis
nachgewiesen werden müssen. Aus der "Holschuld" der Behörde wird eine
"Bringschuld" des Waffenbesitzers bzw.
Antragstellers, da die Nachweispflicht nun unabhängig von einem
behördlichen Verlangen besteht. Diese Verpflichtung zur Nachweisführung
gilt allerdings nicht für die Besitzer, die der Behörde bis zu dem Tag
des Inkrafttretens des Gesetzes bereits den Nachweis über die sichere
Aufbewahrung erbracht haben.
Durch die Neufassung des § 36 Absatz 3
Satz 2 WaffG wird der Behörde die Möglichkeit eingeräumt,
verdachtsunabhängig die sorgfältige Aufbewahrung von
erlaubnispflichtigen Schusswaffen, Munition oder verbotenen Waffen
überprüfen zu können.
Die Verpflichtung, Waffen gesichert
gegen fremden Zugriff aufzubewahren, wird immer wieder verletzt. Manche
Waffenbesitzer sehen die Notwendigkeit nicht ein, andere sind einfach
nachlässig. Das Risiko, bei einer unangemeldeten Kontrolle – allerdings
nicht zur Unzeit oder Nachtzeit – ertappt zu und zur Rechenschaft
gezogen zu werden, wird sicher bei vielen Waffenbesitzern zu einer
Verhaltensänderung führen. Das höhere Entdeckungsrisiko lässt erwarten,
dass sich zukünftig mehr Waffenbesitzer als zuvor an die gesetzlichen
Bestimmungen halten. Der Schutz gegen Missbrauch der Waffe durch
Nichtberechtigte und gegen Diebstahl wird dadurch verbessert.
Durch die Übernahme von § 36 Absatz 3
Satz 3 WaffG der geltenden Fassung wird klargestellt, dass Wohnräume
gegen den Willen nur zur Verhütung dringender Gefahren für die
öffentliche Sicherheit betreten werden dürfen.
Wann welche zusätzlichen
Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden, muss offen bleiben. Hier müssen
erst Untersuchungen zeigen, was erforderlich und was technisch machbar
und zumutbar ist.
Besondere
Sicherungen von Kurzwaffen und Waffenschränken
Eine weitere Verbesserung der
Sicherheit, insbesondere der sicheren Verwahrung wird durch zusätzliche
Sicherungssysteme erreicht.
Nach geltender Rechtslage hat der
Besitzer von Waffen und Munition die erforderlichen Vorkehrungen zu
treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen oder
Dritte sie unbefugt an sich nehmen (§ 36 WaffG und §§ 13, 14 der
Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV). In der Regel sind diese
Sicherheitsbehältnisse mit mechanischen oder elektronischen Doppelbart-
oder Zahlenschlössern ausgestattet. Durch die geänderte
Verordnungsermächtigung in § 36 Absatz 5 WaffG wird dem Verordnungsgeber
ermöglicht, Anforderungen an technische Sicherungssysteme zur
Verhinderung einer unberechtigten Wegnahme oder Nutzung von
Schusswaffen, die Nachrüstung oder den Austausch vorhandener
Sicherungssysteme bei Waffenschränken sowie die Sicherung der
Schusswaffe mit mechanischen, elektronischen oder biometrischen
Sicherungssystemen in einer Rechtsverordnung zu regeln. Die gewählte
Formulierung ermöglicht es dem Verordnungsgeber, nicht nur
Sicherheitsbehältnisse, sondern auch für großkalibrige Schusswaffen die
dort genannten Sicherungssysteme vorzuschreiben.
Einführung eines nationalen
Waffenregisters
Durch die Änderung der EU-Waffenrichtlinie 2008/51/EG vom 21.
Mai 2008 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein computergestütztes
Waffenregister bis Ende 2014 einzuführen und darin mindestens für 20
Jahre alle Schusswaffen mit folgenden Daten zu erfassen: Typ, Modell,
Fabrikat, Kaliber, Seriennummer, Name und Anschrift des Verkäufers und
des Waffenbesitzers.
Ein derartiges nationales
Waffenregister ist nicht nur zeitgemäß, sonder auch zentrale
Voraussetzung für die genaue Kenntnis der Anzahl legaler Waffenbesitzer
und Schusswaffen in Deutschland. Gegenwärtig gibt es ca.
570 Waffenerlaubnisbehörden in den Ländern, ohne dass eine Vernetzung
existiert. Gesetzlich geregelt wird dieses Register, das bis Ende des
Jahres 2012 – und damit zwei Jahre vor Ablauf der in der EU-Waffenrichtlinie vorgegebenen Frist –
aufzubauen ist, in dem neu geschaffenen § 43a WaffG.
Übermittlung von Meldedaten bei Zuzug
an die Waffenbehörden
Gegenwärtig erhalten die
Waffenbehörden vom Zuzug des Inhabers einer waffenrechtlichen Erlaubnis
erst dann Kenntnis, wenn die Übersendung der Papierakte erfolgt. Dieser
Vorgang kann einige Zeit in Anspruch nehmen und ist zudem
fehleranfällig. Die Ergänzung in § 44 Absatz 2 WaffG dient der
Schließung einer Regelungslücke und der Schaffung einer normenklaren
Rechtslage für die Übermittlungsbefugnis der Meldebehörden. Durch die
Ergänzung wird nunmehr sichergestellt, dass die Waffenbehörde bereits im
Zeitpunkt der Anmeldung von der Meldebehörde informiert wird, dass ein
Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis zugezogen ist.
Möglichkeit der Vernichtung
eingezogener Waffen und Munition
Durch die Änderung in § 46 Absatz 5
Satz 1 WaffG wird den Waffenbehörden die Möglichkeit eingeräumt, auf den
Verkauf von eingezogenen Waffen zu verzichten. Dies hat den Vorteil,
dass sich staatliche Stellen nicht mehr als "Waffenhändler" gerieren
müssen und sich die Anzahl der im "Umlauf" befindlichen Waffen
reduzieren würde. Eine Entschädigungspflicht im Hinblick auf Artikel 14
Absatz 1 Satz 1 GG wird durch eine
Vernichtung nicht ausgelöst. Zum einen geht das Eigentum bereits durch
die Einziehung kraft Gesetzes an die einziehende Körperschaft über, zum
anderen entfällt die Entschädigungspflicht bei Sachen, von denen
Gefahren für Rechtsgüter ausgehen können – und dazu gehören Waffen.
Strafbewehrung bei vorsätzlichem
Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften
Nach geltender Rechtslage ist ein
Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften bußgeldbewehrt. Mit der
Einführung des neuen § 52a WaffG und der damit einhergehenden
Strafbewehrung wird zum Ausdruck gebracht, dass die vorsätzliche
Verletzung der Aufbewahrungsvorschriften mit der dadurch hinzutretenden
konkreten Gefahr des Abhandenkommens bzw.
des Zugriffs Dritter kein Kavaliersdelikt darstellt.
Amnestieregelung
Durch die Änderung des § 58 Absatz 8
WaffG soll das angestrebte Ziel gefördert werden, den Besitzern von
illegalen Waffen, eine umfassende Möglichkeit einzuräumen, sich legal
von diesen Waffen zu trennen. Durch die Differenzierung wird
klargestellt, dass nicht alle verbotenen Verhaltensweisen bei der Abgabe
der Waffen innerhalb des Amnestiezeitraums von fünf Monaten
freigestellt sind. Die Straffreistellung erstreckt sich nicht auf das
Führen von Waffen. Des Weiteren kommt ein Ausschluss der Straffreiheit
in Betracht, wenn dem Täter die Einleitung eines Straf- oder
Bußgeldverfahrens wegen waffenrechtlicher Verstöße bekannt gegeben
worden ist oder die Tat im Zeitpunkt der Abgabe der Waffe bereits
entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung
der Sachlage damit rechnen musste.
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